Für Frieden auf die Straße!

Kriegstreibern Kontra geben.

Gastkommentar  von Sahra Wagenknecht

Die Atomkriegsuhr steht auf 90 Sekunden vor Mitternacht – so dicht an einer Apokalypse waren wir nie zuvor. Selbst der Exvorsitzende der deutschen »Sicherheitskonferenz«, Ischinger, hat am Freitag gemeinsam mit hochrangigen Politikern vor der Gefahr gewarnt, »dass in einem Moment der Krise eine schreckliche Entscheidung zum Einsatz von Atomwaffen getroffen wird«. Spielen auch diese Leute mit den Ängsten der Bevölkerung, um die Unterstützung des Westens für die Ukraine zu untergraben, wie es ein angeblicher »Faktenfinder« der »Tagesschau« den Initiatoren des »Manifests für Frieden« unterstellt?

Derselbe Faktenfinder sieht auch keinerlei Anzeichen, dass Russland an Verhandlungen überhaupt inter­essiert ist. Dabei gab es im März bereits Friedensverhandlungen, die nach übereinstimmender Aussage des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Bennett und des türkischen Außenministers Cavusoglu nicht an mangelnder Kompromissbereitschaft Putins, sondern an der Intervention der britischen und US-Regierung gescheitert sind.

Panzer bringen keinen Frieden, wir brauchen Diplomatie statt Waffen – mit dieser Forderung treffen wir einen Nerv. Das zeigen eine halbe Million Unterschriften für das »Manifest für Frieden« in nur einer Woche. Das zeigen auch die gereizten Reaktionen in etablierten Medien: Naiv und zynisch sei das Manifest, unmoralisch und gefährlich ihre Initiatoren, welche angeblich Putin in die Hände spielen und sich über Beifall und Unterstützung von rechts freuen.

Aber sind nicht jene naiv, die von einem raschen militärischen Sieg der Ukraine träumen? Handeln nicht all jene zynisch, welche die ukrainische Führung mit Waffenhilfe ermuntern, weitere Soldaten in einem Krieg zu verheizen – wohl wissend, dass die Ukraine auch mit ein paar Dutzend westlichen Panzern keinen Sieg erringen kann? Spielt es nicht Putins Propaganda in die Hände, wenn nun fast ausschließlich Deutschland moderne »Leopard 2«-Panzer liefert, was in Russland schreckliche Erinnerungen wecken dürfte? Und sind nicht jene irre gefährlich, die für einen Sieg der Ukraine einen Kriegseintritt der NATO erwägen? Wer reitet voller Schadenfreude darauf herum, dass auch der AfD-Chef Chrupalla das »Manifest für Frieden« online unterzeichnet hat – und verliert kaum ein Wort über die Erstunterzeichner des Manifests aus dem Spektrum von SPD, Union oder Grünen? Und wen stärkt man, indem man populäre Forderungen nach Frieden und Diplomatie als AfD-nah diffamiert?

Lassen wir uns nicht beirren vom »bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung«, wie ihn Habermas bezeichnet hat. Lassen wir nicht länger zu, dass unsere Forderungen oder Aktionen von rechts gekapert werden. Lassen wir uns nicht länger spalten, sondern setzen wir gemeinsam am 25. Februar vor dem Brandenburger Tor ein starkes Signal: gegen die Lieferung deutscher Panzer in die Ukraine und für einen sofortigen Waffenstillstand, für Diplomatie und Frieden!

Quelle: Junge Welt vom 18.02.2023  https://www.jungewelt.de/artikel/445170.f%C3%BCr-frieden-auf-die-stra%C3%9Fe.html